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Tumore des zentralen Nerven­systems (Gehirn/­Rückenmark)


Tumore des zentralen Nervensystems sind die häufigsten soliden Tumoren des Kindesalters und nach den Leukämien die zweithäufigste bösartige Erkrankung im Kindesalter überhaupt. Sie machen mindestens 20% aller pädiatrischen Tumorerkrankungen aus. Man rechnet mit ungefähr 400 Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland.


Die Pädiatrische Neurochirurgie Tübingen stellt eines der 3 Mitglieder des kinderneurochirurgischen Referenzpanels der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Onkologie und Hämatologie (GPOH) dar.



Neurochirurgische Therapie

Für die große Mehrzahl aller kindlichen Gehirn- und Rückenmarkstumoren steht die neurochirurgische Therapie am Anfang des Behandlungskonzeptes.

Kinder -  neurochirurgische TherapieDie moderne mikrochirurgische Therapie ist darauf ausgerichtet, die vollständige Entfernung des Tumors ohne dauerhafte Verschlechterung des Kindes zu erreichen, gepaart mit Verbesserung oder Verschwinden der prä-operativen Beschwerden. Die Operation gleicht manchmal der Besteigung eines Berges über einen schmalen Grat, bei der der Weg des Chirurgen präzise zwischen Funktionsverlust und unvollständiger Entfernung verlaufen muß.

Vorrang hat jedoch immer der Erhalt der Funktion, so dass in manchen Situation trotz allen Hilfsmitteln und aller operativer Kunst die vollständige Entfernung des Tumors nicht möglich ist, weil dies das Kind/den Jugendlichen zusätzlich schädigen würde.

Um den genannten Zielen möglichst nahe zu kommen, gelten folgende Prinzipien und Strategien:



Strahlentherapie

An den operativen Eingriff schließt sich bei den bösartigen Hirntumoren fast immer die Strahlentherapie an, wenn die Kinder hierfür nicht zu jung sind. Die Strahlentherapie als eine von drei Säulen der Tumorbehandlung, hilft die Prognose für eine Heilung der Tumore entscheidend zu verbessern. Je nach zugrunde liegender Tumorart, Stadium der Erkrankung (z.B. mit oder ohne Metastasierung) und Alter des Kindes sind unterschiedliche Kombinationen von Chemo- und Strahlentherapie in den jeweiligen Studienprotokollen empfohlen.

Chemotherapie

Die Chemotherapie wird bei praktisch allen bösartigen Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter in der Weiterbehandlung zusätzlich zur Operation und Bestrahlung eingesetzt. Auch bei „gutartigen“ Tumoren, die nicht oder nicht vollständig entfernt werden konnten, ist die Chemotherapie Bestandteil aktueller Behandlungskonzepte. Im Gegensatz zur Chirurgie und Strahlentherapie als nur „vor Ort“ wirkende Therapie, hat die Chemotherapie einen Effekt im ganzen Körper. Trotz dieses „Nachteiles“ kann sie dadurch auch kleine Fernabsiedlungen im Gehirn und Rückenmark erreichen.

Die Chemotherapie bei Hirntumoren im Kindes- und Jugendalter verfolgt zwei grundsätzliche Ziele: zum einen werden die Heilungsraten verbessert, zum anderen kann bei jüngeren Kindern der Zeitpunkt der Strahlentherapie in ein höheres Alter verschoben werden, um die Nebenwirkungen der Strahlentherapie auf das sich entwickelnde Gehirn zu verringern. In einigen wenigen Fällen kann mittlerweile sogar ganz auf die Strahlentherapie verzichtet werden.

Behandlungen von Rückfällen

Rückfälle (Wiederkehr) von meist bösartigen Hirntumoren treten in der Regel in den ersten 1-3 Jahren nach Diagnosestellung auf und nach 5 Jahren wird ein Rückfall immer unwahrscheinlicher. Für Rückfälle stehen entsprechende „Rezidivprotokolle“ im Rahmen des HIT Netzwerkes zur Verfügung. Auch hier wird wenn möglich nochmals eine Operation vorgeschaltet.

Therapiefolgen

Die Therapiefolgen werden durch die Summe der Einflüsse des Tumors (Ausfälle vor der Operation), eines begleitenden Hydrozephalus (oder Komplikationen seiner Behandlung), der Operation, der Chemotherapie und der Bestrahlung bestimmt.

Zu den möglichen Folgezuständen gehören Ausfallerscheinungen, Einbrüche der Gehirnleistung (Gedächtnis, Ausdauer, Erfassungsgabe, Konzentration, Orientierung), Wachstumsbehinderung, Hormondefizite, Hör- und Sehstörungen. Ein wichtiger Faktor für das Ausmaß der Spätfolgen ist auch das Alter bei Therapie.

Weitere wichtige Einflußgrößen auf das langzeitige Therapieergebnis sind die indirekten psychosozialen Folgen der Tumorerkrankung im Kindesalter. Hierzu zählen die wiederholte Abwesenheit von Familie und Beziehungsgruppe in Schule und Freizeit, die Krankenhausaufenthalte während Chemo- oder Strahlentherapie oft über Monate, der Verlust der Kopf- und Körperhaare, die eingeschränkte Mobilität und Energie im Alltag, die Veränderung des eigenen Körperbildes, der zunehmende Abstand vom idealen Körperbild und die aus allen Faktoren resultierende Einschränkung in der sozialen und sexuellen Entwicklung des Kindes.

Einzelne Tumor-Arten

Auf eine Darstellung der möglichen Therapieoptionen bei den unterschiedlichen Hirntumorarten wird hier verzichtet, da dies erstens sehr komplex ist und zweitens für jedes Kind/Jugendlichen, auch abhängig vom Ort der Tumorerkrankung, eine individuell optimale Therapie spezifisch festgelegt wird. Hierfür dienen die persönlichen Gespräche mit den behandelnden Pädiatrischen Neurochirurgen und Onkologen im Vorfeld einer Operation.

Die nachfolgende Tabelle führt die wichtigsten kindlichen ZNS Tumore auf (keine Vollständigkeit) und ihre grundsätzlichen Therapieoptionen. Gibt es eine führende Behandlung, ist jene im Fettdruck markiert. (x* = Operation meist nur zur Probeentnahme)

Tumorart Chirurgie Strahlenth. Chemoth.
Neuroepitheliale Tumore
Astrozytäre Tumore
- Pilozytisches Astrozytom X X X
- Diffuses Astrozytom X
X X
- Anaplastisches Astrozytom X X X
- Glioblastom X X X
Ependymale Tumore
- Ependymome (mehrere Sorten) X X (X)
Plexus choroideus Tumore
- Plexuspapilliom X X X
- Plexuscarzinom X X X
Tumore der Pinealisregion
- Pinealozytom X
- Pinealisparenchym-Tumor X X X
- Pinealoblastom X X X
Embryonale Tumore
- Medulloblastome (mehrere Sorten) X X X
- Atypisch teratoid/rhabdoider Tumor X X X
Tumore der Hirn- und Spinalnerven
Schwannom X
Neurofibrom X
Keimzelltumore
Germinom (X*) X X
Embryonaler Tumor (X*) X X
Dottersacktumor (X*) X X
Choriokarzinom (X*) X X
Teratom X X X
Tumore des Sellaregion
Kraniopharyngeom X X
Hypophysenadenom X (x)